Lernen durch Engagement
Durch die Verbindung von Lernen mit gemeinnütziger Arbeit erwerben Schülerinnen und Schüler neben fachlichem Wissen auch soziale Kompetenzen. Anregungen dazu liefert eine „Kleinere Partnerschaft“ im Rahmen von Erasmus+.
„Einen jungen Menschen unterrichten heißt nicht, einen Eimer füllen, sondern ein Feuer entzünden.“ Dieses Zitat auf der Webseite der Deutschen Schule Athen (DSA) wird dem antiken griechischen Schriftsteller Plutarch zugeschrieben. Es wäre auch ein treffender Leitspruch für das Erasmus-Projekt „Understanding Service Learning“. Damit fördert die DSA ein pädagogisches Konzept, das auf Deutsch „Lernen durch Engagement“ heißt und Jugendliche für gesellschaftliche Beteiligung begeistern möchte. An vielen Schulen ist es schon fester Bestandteil des Unterrichts.
Als Jens Koslowsky in Athen von dem Konzept hörte, war er gleich Feuer und Flamme. „Wir wollten das neue Wahlpflichtfach ‚Globales Lernen‘ einführen und zugleich neue Lehr- und Lernmethoden ausprobieren. Als Kollegen hierfür das ‚Service Learning‘ vorschlugen, entstand die Idee, dazu ein Erasmus-Projekt zu entwickeln“, erinnert er sich. Nicht einmal zwei Monate später, Anfang November 2022, lief die Bewerbungsfrist für Kleinere Partnerschaften (Small-Scale Partnerships) aus, doch der 46-Jährige blieb cool. Denn er genießt an der DSA das Privileg, sich ausschließlich auf internationale Projektplanung und Schulentwicklung zu konzentrieren. Daher erkannte er auch direkt die Vorteile des Formats: Kleinere Partnerschaften mit Erasmus+ bieten nach erfolgreicher Antragsstellung viel Flexibilität beim Einsatz der bewilligten Fördersumme.
„Lernen durch Engagement‘ fördert das Verantwortungsbewusstsein, erhöht die Eigenverantwortung und Selbstreflexion und fördert kritisches Denken.“
Starke Partner als Ideengeber
Koslowsky hat Geschichte, Geografie und European Studies studiert und kam 2009 nach Griechenland. Auf seine jetzige Stelle wurde er aufmerksam, weil sein Sohn den Kindergarten der Deutschen Schule besuchte. Mit Neugier, Mut zur Veränderung und starken Partnern machte er sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf den Weg, um „Lernen durch Engagement“ umzusetzen. Dabei erwies sich die Kooperation mit der gleichnamigen Berliner Stiftung als Glücksfall. Sie organisierte Fortbildungen und stellte Kontakte zu Schulen her, die ihre positiven Erfahrungen gerne teilten. Zusätzlich holte Koslowsky noch zwei Nichtregierungsorganisationen mit ins Boot: NUCLIO aus Portugal, die innovative Schulprojekte unterstützt, und KMOP aus Griechenland, die in sozialen Brennpunkten arbeitet. Dann startete eine spannende Bildungsexkursion.
Demokratie beginnt in der Schule
Die Stationen: Eine Einführungsveranstaltung in Berlin, Fortbildungen und Netzwerktreffen in Lissabon und Athen, ein Methodenworkshop in der deutschen und das Abschlussseminar in der griechischen Hauptstadt. Hierbei profitierte das Athener Team vom Fachwissen der Bildungsexperten und den Erfahrungen der Projektpartner, die „Lernen durch Engagement“ bereits umsetzen, so wie die Max-Beckmann-Oberschule in Berlin. Dort haben sich Jugendliche nicht nur im Unterricht mit Gründen für Flucht und Vertreibung auseinandergesetzt, sondern auch Hilfsangebote für geflohene Menschen organisiert. Als das Thema Diskriminierung auf dem Stundenplan stand, stellten sie dazu eine öffentlichkeitswirksame Social-Media-Aktion gegen Ausgrenzung auf die Beine.
Dass die Projekte gezielt mit dem Unterricht verknüpft sind und dadurch auch Schülerinnen und Schüler erreichen, die sich sonst vermutlich nicht ehrenamtlich engagieren würden, ist für Jens Koslowsky ein bedeutsamer Beitrag zur Demokratiebildung: „Für sie ist es eine wichtige Erfahrung zu erleben, dass sie selbst ein Teil der Gesellschaft sind und etwas zum Positiven verändern können.“
Über das Projekt
Projekttyp: Kleinere Partnerschaft / Small-Scale Partnerships (KA 210)
Titel: Understanding Service Learning as a Student-Centered Experiential Learning Activity and Versatile Teaching Strategy
Koordinator: Deutsche Schule Athen
Ansprechperson: Jens Koslowsky
Laufzeit: März 2022 bis Mai 2023
Bewilligte Fördersumme: 60.000 Euro
Mehr über das Projekt auf der Projektergebnisplattform der EU
Motivation für Lernende und Lehrende
Als Schlüssel zum Erfolg gilt, dass die jungen Leute bereits in die Planungen eingebunden werden, sich selbst ein Thema suchen und bei der Umsetzung mitbestimmen dürfen. Lernaktivitäten außerhalb des Klassenzimmers motivieren aber nicht nur sie, sondern auch die Lehrkräfte, glaubt Projektleiter Koslowsky: „Sie arbeiten auf Augenhöhe mit den Schülerinnen und Schülern. Und statt alles wissen zu müssen, werden sie zum Coach und Begleiter der Lernenden.“
Die Deutsche Schule Athen hat mittlerweile bedeutende Meilensteine erreicht. Die Curricula für das dreijährige Wahlpflichtfach „Globales Lernen“ stehen, und im September 2023 startete der erste Jahrgang in der 7. Klasse. Die Jugendlichen beschäftigten zwischen den Themen „Gutes Leben“, „Nachhaltige Ernährung“ und „Soziale Medien“. Fürs weitere Gelingen liefert das umfangreiche eBook „Understanding Service Learning“ von Jens Koslowskys Team hilfreiche Empfehlungen. Sein Tipp für Schulen, die ihren Unterricht mit einer spannenden Bildungserfahrung bereichern möchten: „Man muss nicht gleich das ganz große Rad drehen, sondern kann klein anfangen. Es kann kaum etwas schiefgehen.“
Mehr Informationen
Schwerpunkt des Projekts war das Thema gesellschaftliches Engagement. Daran beteiligt waren Schulen aus Portugal, Griechenland und Deutschland. Hier gibt es mehr Informationen. Außerdem steht das eBook „Understanding Service Learning“ als PDF zur Verfügung.
Was sollten Schulen, die sich für „Lernen durch Engagement“ interessieren, beachten?
Es ist ein Prozess, der Zeit braucht. Man benötigt Kooperationspartner, und die Schulleitung, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler müssen sich an die Umstellung gewöhnen. Doch Angst sollte man keine haben, sondern Ideen sammeln und loslegen.
Welche Rolle spielen externe Experten und Partner bei der Projektumsetzung?
Wir haben bei unseren Treffen und Workshops sehr vom Netzwerk aus Bildungsexperten, Lehrkräften und Fortbildungsprofis profitiert. Besonders hilfreich war die Kooperation mit Schulen, die „Service Learning“ bereits erfolgreich durchgeführt haben und uns nützliche Tipps geben konnten.
Was sind die Voraussetzungen für einen dauerhaften Erfolg?
Eine Schulleitung, die das Projekt unterstützt, und ein motiviertes Lehrpersonal. Denn dadurch, dass Aktivitäten außerhalb des Klassenraums stattfinden, fällt Unterricht aus, und das hat Auswirkungen auf die Kolleginnen und Kollegen. Wichtig ist auch, dass man die Projekte der Öffentlichkeit vorstellt, dass man sie feiert. Gerade Eltern sind dafür gute Partner, weil sie stolz darauf sind, dass ihre Kinder sich gesellschaftlich engagieren.