Von Königin Katharina lernen – eine Lektion in Nachhaltigkeit

Für ihr Nachhaltigkeitsprojekt sammelten Schülerinnen und Schüler des Stuttgarter Königin-Katharina-Stifts innovative Ideen und altbewährte Konzepte. Vorbild war die Gründerin ihres Gymnasiums.

Als 1816 ein Vulkanausbruch im fernen Indonesien den Himmel über Europa verdunkelt, ahnt im Königreich Württemberg noch niemand die verheerenden Auswirkungen dieser Naturkatastrophe. Im darauffolgenden „Jahr ohne Sommer“ zwingen Missernten und Hunger viele zur Auswanderung. In der Not hilft Königin Katharina von Württemberg der Bevölkerung mit Suppenküchen. Doch vor allem will die vorausschauende Monarchin die Bauern befähigen, langfristig bessere Erträge zu erzielen und gründet die erste deutsche landwirtschaftliche Lehranstalt.

Bildung als Schlüssel zu einem besseren Leben – mit dieser Überzeugung errichtet Katharina 1818 auch die erste höhere Mädchenschule in ihrem Reich. 200 Jahre später inspirieren ihre Nachhaltigkeitskonzepte die Schülerinnen und Schüler des Königin-Katharina-Stifts zu einem Erasmus-Projekt. Die Projektleiterin, Catrin Kentischer-Märkle, erinnert sich: „Das Thema sollte aktuell sein, zu unserer Schule passen und altbewährte und moderne Konzepte verbinden.“ Das Projekt „Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Le tradizioni in valigia“ war geboren.

Schwerpunkt des Projekts war das Thema Nachhaltigkeit.

„Unser Projekt hat einen Nerv bei den Jugendlichen getroffen. Viele hatten sich schon vorher mit Nachhaltigkeit beschäftigt und engagierten sich jetzt mit Herzblut.“

Nachhaltigkeit trifft auf sostenibilità

Dass Nachhaltigkeit in der Muttersprache ihrer Projektpartner „sostenibilità“ heißt, wissen viele Schülerinnen und Schüler des Königin-Katharina-Stifts nicht erst seit der Erasmus-Kooperation. Denn das Gymnasium bietet in seinem bilingualen Zweig Italienisch bis zum Abitur an. Was lag also näher als eine Kooperation mit einer Schule in Italien, dem „Liceo Scientifico Leonardo da Vinci“ in der Region Apulien, am „Stiefelabsatz“ des Landes. „Vorher gab es bei uns den klassischen Sprachaustausch. Nun aber wollten wir eine Kooperation im Sinne von Erasmus, also in der Fremdsprache kommunizieren und gemeinsam an einem Thema arbeiten“, erläutert Catrin Kentischer-Märkle. Dabei entdeckten die deutsch-italienischen Schülergruppen interessante Parallelen. So wie Königin Katharina die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft förderte, kam in Italiens „Kornkammer“ Apulien Ende der 1980er-Jahre der Bioanbau in Gang. Und während die Schwaben mit regionalen Spezialitäten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, sind es bei den Italienern die kulinarischen Köstlichkeiten nach Slow-Food-Tradition.

Genuss und Gastfreundschaft

Gelegenheit zum Probieren hatten die Stuttgarter Jugendlichen während des Besuchs bei ihren Projektpartnern. Dort wurden sie von ihren Gastfamilien mit der traditionellen Herzlichkeit empfangen und oft auch von den „Mammas“ bekocht. Für viele der 15-Jährigen war es die erste große Reise. „Einige Kinder hätten sich die Fahrt ohne Erasmus-Förderung gar nicht leisten können. Wir freuen uns auch, dass wir vielen Mädchen die Chance geben konnten, denn ihre Förderung lag Katharina besonders am Herzen“, erzählt Projektleiterin Catrin Kentischer-Märkle.

Die zukunftsweisenden Ideen der Königin recherchierten die Jugendlichen in gemischtnationalen Teams: Sie revolutionierte die Landwirtschaft in Württemberg, gründete Schulen und Krankenhäuser und die „Württembergische Spar-Casse“, bei der die arme Bevölkerung ihre Notgroschen gewinnbringend anlegen konnte. In Italien besuchten sie Institutionen, die heute einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten – darunter ein Start-Up-Unternehmen, das aus Algen Produkte von der Nudel bis zum Shampoo produziert, oder eine Wassermühle, die Getreide so wie früher mahlt. Die perfekte Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, so wie es das Projektmotto verspricht.

Jeder kann etwas verändern

Die Jugendlichen machten sich auch Gedanken, wie sie angesichts knapper werdender Ressourcen, Umweltverschmutzung und der Klimakatastrophe ihr eigenes Verhalten ändern könnten. Anpacken hieß das Motto, und so nutzten sie ihren Strandausflug an die apulische Küste spontan zum Müllsammeln. Zu Hause in Stuttgart gründeten die Italien-Rückkehrer eine Nachhaltigkeits-AG und inspirierten ihre Mitschülerinnen und Mitschüler unterschiedlicher Altersstufen mit originellen Ideen. Sie organisierten eine Tauschbörse für Kleidung und bastelten Federmäppchen aus Stoffen, die sonst auf dem Abfall landen würden. Der kommt in den Klassen künftig nicht mehr in eine Tonne, sondern wird säuberlich getrennt. Und als Anregung für Schulen, die sich Tipps für eine nachhaltige Klassenfahrt wünschen, haben die Projektteilnehmer eine App entwickelt. Die beeindruckenden deutsch-italienische Erfolgsgeschichte wäre bestimmt im Sinne der tatkräftigen Königin Katharina gewesen.

Gemeinsam etwas Neues gelernt

Wie wichtig war der Aspekt Nachhaltigkeit für den Projekterfolg?
Wenn ein Thema nicht interessiert, wird es zäh. Es muss deshalb unbedingt etwas aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sein. Oder etwas, womit sie nicht gerechnet haben, ein Aha-Effekt. Bei unserem Projekt dachten einige bestimmt, dass Nachhaltigkeit vor allem Einschränkung bedeutet. Sie waren dann überrascht, wie vielschichtig das Thema ist.

Wie haben sich die Fremdsprachenkenntnisse durch den Austausch verbessert?
In Apulien haben wir uns vor unseren Erkundungen auf Italienisch mit dem Thema beschäftigt. Als es um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 ging, haben die Schülerinnen und Schüler sie zunächst übersetzt. Dann haben sie sich überlegt, wie sie sie umsetzen könnten und auf Italienisch einen Leitfaden erstellt. Der sprachliche Gewinn war enorm.

An was erinnern Sie sich besonders gerne?
Dass die Jugendlichen uns während der Reise auf einer ganz neuen Ebene kennengelernt haben. Wir waren dann nicht nur Lehrpersonen, sondern haben gemeinsam mit ihnen etwas Neues gelernt. Und, was mich besonders freut: Viele Schülerinnen und Schüler, die am Projekt teilgenommen haben, möchten Italienisch in der Oberstufe weiterführen.