Pilgern auf dem Jakobsweg – ein digitales Abenteuer

Das Humboldt-Gymnasium Trier wollte mit seinen spanischen Projektpartnern den Jakobsweg erkunden. Die Reisen fielen wegen Corona aus. Ihr Ziel erreichten sie dennoch – bei der digitalen Zusammenarbeit.

Schuhe schnüren, Proviant und Pflaster ins Gepäck, und auf geht’s zum Wandern auf dem wohl berühmtesten Pilgerpfad der Welt, dem Jakobsweg. Er verbindet mehrere europäische Länder und endet in der spanischen Stadt Santiago de Compostela. Auch im 1800 Kilometer entfernten Trier weisen Wegsteine mit dem Jakobsmuschel-Emblem auf die Route hin, denn die Stadt ist seit rund tausend Jahren ein wichtiges Pilgerzentrum in Deutschland. Den Schülerinnen und Schülern des Humboldt-Gymnasiums Trier lag damit ein spannendes Thema buchstäblich vor den Füßen.

Um ans gemeinsame Ziel zu kommen, entwarfen ihre Lehrerinnen, Karin Lenerz und Sarah Bock, mit ihren spanischen Partnern einen ausgeklügelten Etappenplan: Vom Vortreffen in Valencia über den Projektstart der beiden Schulen bis zum Ziel. „Wir wollten die Schülerinnen und Schüler erleben lassen, wie bereichernd die kulturelle Vielfalt Europas ist“, erläutert Sarah Bock die Idee. Und Karin Lenerz ergänzt: „Der Jakobsweg ist dafür ideal, weil sich dort Menschen aus unterschiedlichen Ländern schon vor Jahrhunderten begegnet sind.“ Dass es im Projektverlauf einige Stolpersteine aus dem Weg zu räumen galt, war den beiden Kolleginnen allerdings nicht bewusst, als sie im Herbst 2019 den Startschuss gaben.

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Die digitale Zusammenarbeit beider Schulen mit eTwinning ist im TwinSpace dokumentiert.

Schwerpunkt des Projekts war die Digitalisierung des Unterrichts.

Karin Lenerz unterrichtet Deutsch und Englisch.

„Kaum ein Projekt endet so, wie es geplant war. Oft gibt es überraschende Weggabelungen und Abzweigungen. Aber genau dadurch erfahren wir immer wieder etwas Neues, Interessantes.“

Stolpersteine aus dem Weg geräumt

Zum Abschluss des Projekts wollten die Partner aus Trier und Valencia zusammen eine mehrtägige Etappe auf dem spanischen Jakobsweg bewältigen. Denn was wäre zum gegenseitigen Kennenlernen besser geeignet, als herausfordernde Situationen gemeinsam zu meistern? Stattdessen standen sie vor einer viel gewaltigeren Herausforderung – Corona.

Jetzt zeigte sich, wie nützlich die bereits erprobten digitalen Medien für den Austausch ihrer Ideen waren: Der TwinSpace auf eTwinning, Videokonferenzen, Programme und Apps. Darüber hinaus war die Fantasie der beiden Lehrerinnen gefragt. Sarah Bock erinnert sich: „Wir haben nach innovativen Methoden gesucht, um die Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Mit Spaß und Unterhaltung ist uns das gelungen.“ Statt Fakten über den Jakobsweg in spröden Texten zu präsentieren, dachten sich die Jugendlichen geistreiche Versionen aus: Rätsel, um sich aus virtuellen „Escape Rooms“ zu befreien, Podcasts mit Verhaltenstipps für den Jakobsweg und witzige Videos. Darin stellten sie beispielsweise einen Überfall auf eine mittelalterliche Pilgergruppe nach und verrieten anschließend, wie man im Chemieunterricht Kunstblut herstellt, um die Szene realistisch aussehen zu lassen.

Der Weg ist das Ziel

Für Karin Lenerz war es bereits das dritte Austausch-Projekt. Die 49-Jährige war schon vom Erasmus-Vorläuferprogramm so begeistert, dass sie immer neue Ideen umsetzt. Sie weiß aus Erfahrung, dass es gelegentlich Durststrecken geben kann, ähnlich wie auf dem Jakobsweg. Aber auch, dass einem mit engagierten Partnern an der Seite selten die Puste ausgeht. „Frau Bock und ich sind ein gutes Team und wir wussten, dass wir gemeinsam viele Hürden überwinden könnten. Wir wollten das Projekt unbedingt erfolgreich zu Ende bringen.“ Der Weg wurde also zum Ziel.

Mit diesem Spirit spornten sie auch die Schülerinnen und Schüler zu Höchstleistungen an. Für ihr eBook über den Jakobsweg verfassten sie eigene Kurzgeschichten auf Englisch, die ein Kunstkurs der Partnerschule und eine Klasse des HGT reich illustrierten. Und sie dachten sich spannende multimediale Überraschungen aus. Ein Klick, und man erfährt Wissenswertes und Kurioses über den berühmten europäischen Pilgerpfad, das man in gewöhnlichen Reiseführern vergeblich suchen würde – ein sehens-, lesens- und hörenswerter Abschluss der zweijährigen Erasmus-Kooperation.

 

Stolz auf das Erreichte

Zum Endspurt ihrer Zusammenarbeit schnürten die spanischen und deutschen Jugendlichen dann doch noch ihre Wanderschuhe. Allerdings jede Gruppe für sich im eigenen Land, denn mehr erlaubte die Pandemie nicht. Die Humboldt-Gymnasiastinnen und -Gymnasiasten schlossen sich einer geführten Pilgergruppe der St. Jakobusbruderschaft an und nahmen religiöse Gedanken und philosophische Anregungen mit auf den Weg. Die rund 20 Kilometer lange Strecke rund um Trier bewältigten sie leichtfüßig und waren stolz darauf, eine weitere Herausforderung gemeistert zu haben.

Es war nur eine von vielen auf einem steinigen Weg. „Die Schülerinnen und Schüler hatten schon genügend Belastungen aufgrund der Pandemie, trotzdem haben sie ihr Ziel nie aus den Augen verloren. Das finden wir, ist sinnbildlich für unser Projekt“, meint Sarah Bock. Und Karin Lenerz bestätigt: „Natürlich war es schade, dass wir es nicht vollständig umsetzen konnten, denn die spanische Etappe auf dem Jakobsweg war ein Traum. Aber am Ende zählt: Wir haben nie aufgegeben.“ Und das ist eine Erfahrung, mit der die Schülerinnen und Schüler nicht nur anstrengende Wanderungen, sondern manch herausfordernde Lebenssituation meistern können.

 

„Zusammen sind wir stark“

Wie haben Sie sich bei Ihrer Zusammenarbeit ergänzt?

Karin Lenerz: Es gab viele Herausforderungen während der Coronapandemie. So musste ich mich erst in die digitalen Methoden zum Homeschooling einarbeiten. Da war es gut, dass sich unser Projekt auf mehrere Schultern verteilte und Frau Bock eine verlässliche Partnerin war.

Sarah Bock: Wir „ticken“ recht ähnlich und waren uns immer schnell einig. Wir haben aber nicht nur voneinander gelernt, sondern auch von den Schülerinnen und Schülern.

Haben Sie Ihr Ziel, Offenheit und Toleranz zu fördern, erreicht?

Karin Lenerz: Ja, denn viele der Jugendlichen haben den Kontakt zu ihren spanischen Partnern bis jetzt gehalten. Das gilt auch fürs Lehrpersonal. Während unserer Kooperation mussten wir uns mit anderen Einstellungen und Arbeitsweisen arrangieren. Das funktioniert nur mit Toleranz und Kompromissbereitschaft.

Was war das größte Lob der Schülerinnen und Schüler?

Sarah Bock: Dass es sich gelohnt hat. Das hört sich nicht spektakulär an, bringt es aber auf den Punkt. Für sie war es eine prägende Erfahrung, dass sich ihre Mühen und Strapazen gelohnt haben. Und auch das Lehrerherz schlägt höher, wenn die Schülerinnen und Schüler an einer Aufgabe wachsen.