Schulaustausch

Politische Partizipation mit Erasmus+ stärken

Am Gymnasium Rahlstedt ist Europa präsent: Die Schule nutzt den Austausch mit Erasmus+ für vielfältige Kooperationen und hat auch politische Bildung damit stärker im Unterricht verankert.

„Für viele Schülerinnen und Schüler ist die EU wenig greifbar. Wir können dieses abstrakte Gebilde mit Leben füllen, wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, sich mit anderen europäischen Jugendlichen auszutauschen“, beschreibt Kristin Ommler ihre Motivation.

Die Französischlehrerin koordiniert seit vier Jahren den Austausch mit Erasmus+ am Gymnasium Rahlstedt: Seit 2017 hat die Hamburger Schule mit Erasmus+ ein Netz aus Partnerschulen in Riga (Lettland), Logroño (Spanien) und Santo André (Portugal) aufgebaut, das durch gegenseitige Besuche von Lehrkräften und Schülergruppen immer stärker wird. Thematisch stand bei den Begegnungen die Idee im Vordergrund, Jugendliche für Europa zu begeistern und zu mehr politischer Partizipation anzuregen. Mit eTwinning nutzen die Lehrkräfte eine gemeinsame Plattform, auf der sie den Ablauf festhalten und die einzelnen Aktivitäten für alle Beteiligten dokumentieren konnten.

Portrait und grafische Formen
Kristin Ommler unterrichtet Französisch und Biologie am Gymnasium Rahlstedt und koordiniert den Austausch mit Erasmus+

„Unsere Schule hat mit Partnern wie Politikern oder politischen Jugendorganisationen sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir konnten feststellen, dass viele Organisationen sehr offen für die Zusammenarbeit im Rahmen von Erasmus+ sind und alle Seiten vom Austausch profitieren.“

Ein erfolgreicher Ansatz: Lernen durch Lehren

Um über Europa diskutieren zu können, befassten sich die Schülerinnen und Schüler zunächst mit den Ursprüngen der Union, ihren Werten und aktuellen Fragen wie der Flüchtlingspolitik. Bei der Abstimmung darüber, welche Themen sie bearbeiten wollten, erhielten die Jugendlichen einen Eindruck davon, wie Demokratie funktioniert. Die Arbeit der „echten“ Politikerinnen und Politiker lernten sie bei den internationalen Begegnungen in Spanien, Portugal und Lettland kennen, wo sie Parlamente besichtigten und mit Abgeordneten diskutierten. Dabei waren die Schülerinnen und Schüler meistens für etwa eine Woche in Gastfamilien untergebracht. Neben Workshops und Ausflügen, die von den jeweiligen Lehrkräften der Gastschule vor Ort organisiert wurden, blieb auch genug Gelegenheit, das Alltagsleben und kulturelle Besonderheiten kennenzulernen.

Der Austausch mit Erasmus+ eröffnete aber nicht nur für die Schülerinnen und Schüler neue Perspektiven, die an den Auslandsfahrten teilgenommen hatten: Für einen Tag der offenen Tür am Gymnasium Rahlstedt bereiteten sie als Expertinnen und Experten Spiele und Rätsel rund um die EU vor. Dabei gab es vor allem eines zu gewinnen: Europawissen für die Eltern, das Lehrerkollegium und die geladenen Gäste.

Im Rahmen des Austausches mit Erasmus+ ist auch eine neue Unterrichtseinheit zu Fragen rund um die EU entstanden. Die einzelnen Kapitel verfügen über didaktische und methodische Hinweise, die den Einsatz im Unterrichtsalltag erleichtern. „An unserer Schule wird die Einheit gerne im Fach Politik eingesetzt, da sie thematisch an den Lehrplan angebunden ist. Gerade die interkulturellen Komponenten sowie die Ergebnisse aus verschiedenen Ländern wecken das Interesse der Lernenden und sind eine beliebte Diskussionsgrundlage“, berichtet Kristin Ommler. Die Unterrichtseinheiten erarbeiten die Partnerschulen gemeinsam und erproben sie in unterschiedlichen Lerngruppen, um sie danach anzupassen. Sie nutzen das Konzept „Lernen durch Lehren“ und haben dabei festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler das Gelernte schnell verinnerlichen. „Und es ist uns hervorragend gelungen, ihre Persönlichkeitsentfaltung zu fördern. Es lohnt sich, im Unterricht auf dieses Konzept zurückzugreifen, da Inhalte auf diese Weise motivierend vermittelt werden können“, stellt Kristin Ommler fest.

Zu Besuch bei der spanischen Partnerschule

Die beiden Schülerinnen Amelie Feddersen und Carla Waitkus waren gemeinsam mit vier weiteren Zehntklässlerinnen eine Woche lang zu Besuch bei der Partnerschule in Logroño, das im Norden Spaniens liegt.

Was habt ihr in dieser Woche erlebt?
Am Montag starteten wir mit interkulturellen Spielen zum Kennenlernen und einem Spanischkurs. Danach fingen wir mit unserem ersten großen Thema an: Europäische Institutionen. In internationalen Gruppen tauschten wir uns über die einzelnen Institutionen aus und erstellten Schaubilder, welche wir anschließend der ganzen Gruppe präsentierten. Das nächste Thema, , war die Immigration nach Europa. Dazu teilten wir uns in verschiedene politische Parteien auf und überlegten, wie wir unsere Positionen mit Argumenten am besten vertreten könnten, denn für den nächsten Tag war eine Debatte im Parlament von La Rioja geplant. Nach langem Üben gelang es uns, eine flüssige und aussagekräftige Diskussion zu führen.

Der Mittwoch startete sehr kalt: Es hatte geschneit. Nach einer Führung durch die Schule „Los Boscos“ brachen wir auf zum Parlament. Dort hielten wir die tags zuvor vorbereitete Debatte mit der Präsidentin des Parlaments, dem Kabinettsdirektor und einer Koordinatorin für ausländische und internationale Programme. Die Diskussion war eine einmalige Erfahrung und definitiv ein Höhepunkt der Reise. Am Nachmittag besuchten wir einen Weinkeller in der Stadt, da der Wein sehr bekannt und eine wichtige Einnahmequelle für die Region ist.

Der Donnerstag startete mit der Besichtigung von zwei Klöstern etwas außerhalb der Stadt. Anschließend beschäftigten wir uns in der Schule in Gruppen mit den europäischen Verträgen und erstellten einen großen Zeitstrahl.

Am Freitag hielt Esther Herránz García, die Mitglied des Europäischen Parlaments ist, einen Vortrag und beantwortete unsere Fragen nach ihrem Beruf und ihrem Leben. Die Woche neigte sich nun schon dem Ende zu. Die letzten Arbeitsstunden verbrachten wir damit, die vergangene Woche zu reflektieren und ein Feedback an alle zu geben. Am Abend fand eine kleine Abschlussfeier statt. Den Samstag verbrachten wir dann individuell in unseren Gastfamilien.

Neben der Arbeit an unserem Projekt, verbrachten wir viel Zeit mit den Gastfamilien und den Schülerinnen und Schülern der anderen Schulen. Wir alle hatten fast ausschließlich positive Erfahrungen mit den spanischen Eltern und Schülerinnen und Schülern. Auch mit den Portugiesen und Letten haben wir uns sehr gut verstanden. Zwar kam es häufig zu kommunikativen Schwierigkeiten, doch am Ende der Woche haben wir viele neue Freunde gefunden. Unterschiede im Alltag machten sich aber doch bemerkbar. Beispielsweise gab es immer eine zweistündige „Siesta“, in der wir meistens zu unseren Gastschülern nach Hause gefahren sind und dort etwas gegessen haben. Doch genau diese Unterschiede machten das Leben in einer anderen Familie so aufregend! Mit Vorfreude auf unsere Familien, aber auch schweren Herzens, ging es Sonntagmorgen über Pamplona zurück nach Hamburg. Aber damit war es nicht vorbei: Nach der Rückkehrt haben wir direkt mit den Vorbereitungen für das Treffen in Riga begonnen.