OpenStreetMap im Austausch
Die Welt digital vermessen: Die EU-Projekte einer Saarburger Schule verbinden Informatik, Sprachen und Geschichtsunterricht. Neben einem Beitrag zu humänitärer Hilfe entstand so auch ein Newsletter, der seit zehn Jahren weltweit gelesen wird.
„Ich bin über die Informatik ins Mapping gestolpert”, erinnert sich Manfred Reiter. Als Informatiklehrer an der Geschwister-Scholl-Schule BBS Saarburg (Rheinland-Pfalz) beschäftigte er sich zuerst damit, wie Open-Source-Software als Alternative zu kommerziellen Angeboten in Schulen verwendet werden kann. Dann wurde er auf OpenStreetMap (OSM) aufmerksam: Eine nichtkommerzielle Datenbank, welche die Grundlage für Onlinekarten darstellt - vergleichbar mit Google Maps. Wie Wikipedia wird OSM von einer weltweiten Community von Freiwilligen erstellt und gepflegt.

„Anfangs hatte ich wenig Ahnung von OpenStreetMap. Aber das erste EU-Projekt dazu war der Start für etwas Großes.“
Informatik trifft Geschichte und Sprachen
Manfred Reiter erkannte das Potenzial von OpenStreetMap für ein europäisches Unterrichtsprojekt und startete 2011 dazu eine COMENIUS-Schulpartnerschaft. Die beteiligten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler aus fünf Staaten arbeiteten sich gemeinsam in die Funktionen von OpenStreetMap ein, ergänzten neue Daten aus ihren Heimatstädten und erstellten Schulungsmaterial. Begeistert von den Erfahrungen setzte Reiter die Projektarbeit zu OSM ab 2012 mit Schulen aus Spanien, Rumänien, Großbritannien und der Türkei fort. Beim zweiten Projekt »My community and my history« standen dabei auch Geschichte und Sprachen im Fokus. So arbeiteten die Jugendlichen an einer digitalen historischen Karte, auf der sich beispielsweise der Verlauf des Limes nachvollziehen lässt, und übersetzten die Karte in eine spanische, türkische, galizische und rumänische Version.
weeklyOSM: Eine weltweite "Wochenzeitung"
Ergänzend dazu entwickelten die Schulen eine mehrsprachige digitale Wochenzeitung für die OpenStreetMap-Community. So entstand mit weeklyOSM ein internationales Angebot, das auf unerwartete Resonanz stieß. Im Herbst 2024 feierte weeklyOSM sein zehnjähriges Bestehen. Mittlerweile erscheinen darin jede Woche 30 bis 50 Artikel in 14 Sprachen, die einige tausend Menschen lesen. »Wir sind stolz darauf, dass die Fördermittel noch immer Früchte tragen und wir so ein nicht wegzudenkender Teil für die Community geworden sind«, resümiert Manfred Reiter. Gemeinsam mit anderen Lehrkräften aus den Projekten engagiert er sich weiterhin in der Redaktion des weltweit verteilten Übersetzungsteams.
Ein Schulprojekt leistet Humanitäre Hilfe
Das Nachfolgeprojekt EuYoutHOSM ab 2018 beschäftigte sich mit »Humanitarian OpenStreetMap«: Mithilfe frei verfügbarer Satellitenbilder werden Regionen kartiert, in denen Menschen auf Hilfe angewiesen sind, etwa bei Umweltkatastrophen. Gerade für solche Gebiete gibt es häufig keine präzisen kommerziellen Karten, da es an wirtschaftlichem Interesse fehlt, diese Gegenden detailliert digital zu erfassen.
Als ersten Testlauf kartierten die Schülerinnen und Schüler die bis dahin nur schematisch erfasste Insel Terceira und nutzten dafür mit Unterstützung durch die Universität der Azoren auch Drohnen-Mapping. Aufgrund der Coronapandemie wurde aus der Aktivität eine Blended Mobility: Nach einem ersten Treffen auf der Insel kam das internationale Team später in Videokonferenzen zusammen, um die restlichen Daten digital zu erfassen und einzutragen.
Ihre neuen Kentnisse konnten die Jugendlichen bald auf unvorhergesehene Weise einsetzen: “Wir wurden angefragt, ob wir mit unserem Erasmus-Projekt nicht die Vereinten Nationen mit Kartierungen für die Blauhelmsoldaten unterstützen könnten,” erinnert sich Reiter. Im Februar 2022 erfassten die Schülerinnen und Schüler zwei Tage lang gemeinsam Häuser, Straßen und Wasserläufe in Mali für MINUSMA, eine Friedensmission der UN – ein ungeplanter Höhepunkt der europäischen Zusammenarbeit.
Wie schwierig ist es, Schülerinnen und Schülern das Kartieren beizubringen?
Um mit OpenStreetMap zu arbeiten, braucht man keine Programmierkenntnisse. Wenn neue Daten eingetragen werden, sind diese innerhalb von fünf Minuten weltweit sichtbar. Das ist ein großartiges Erfolgserlebnis. Mithilfe des »Tasking Manager« kann eine Region in kleine Quadrate eingeteilt werden, sodass die Schülerinnen und Schüler ihr eigenes »Aufgabengebiet« bearbeiten können. Dieses Tool ist sehr hilfreich. Abgesehen davon haben die Schülerinnen und Schüler mit Standardsoftware gearbeitet.
Wie passen OpenStreetMap und europäischer Austausch zusammen?
Die OSM-Community ist weltweit vernetzt, überall finden Events und Treffen statt. Neben Informatik, Geografie und natürlich Fremdsprachen gibt es beim »Mapping« Anknüpfungspunkte für nahezu jedes Unterrichtsthema, bis hin zu historischen Karten. OSM bietet sich aber auch für einen virtuellen Austausch an: Schülerinnen und Schüler können länderübergreifend online zusammenarbeiten und gemeinsam kartieren. Alle Projektergebnisse stehen am Ende der Allgemeinheit zur Verfügung, sind also nachhaltig.
Wie haben Sie die Schulprojekte dokumentiert?
Zu OSM gehört ein eigenes Wiki, in dem wir zu jedem Projekt jeweils in allen Sprachen der beteiligten Schulen ausführliche Artikel angelegt haben. Alle Fotos haben wir über Wikimedia eingestellt und sie sind unter einer Creative-Commons-Lizenz frei verfügbar. Wikipedia funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie OpenStreetMap.
