Reformpädagogik in Italien kennenlernen
Montessori und Reggio: Italien ist für seine reformpädagogischen Konzepte bekannt. Bei einer Fortbildung mit Erasmus+ auf Sizilien konnten zwei Kölner Erzieherinnen diese genauer kennenlernen.
Einladende Cafés, Straßenmusik und strahlendes Frühlingswetter im März – an diese gelungene Einstimmung erinnert sich Aleli Gómez gerne. Die Kita-Pädagogin nahm an einer einwöchigen Erasmus-Fortbildung in Palermo teil, gemeinsam mit vier Kolleginnen der Diakonie Michaelshoven, die in der Kölner Region mehrere Kindertagesstätten betreibt. Das Seminar mit dem Titel “Das Beste für Vorschulpädagogen: Die Montessori-Methode, Outdoor- und Reggio-Pädagogik” interessierte auch Lara Friebe. Sie wusste schon einiges über diese Konzepte, wollte aber ihre Kenntnisse vertiefen. Und dafür bot die italienische ”Erasmus Learning Academy" den Erzieherinnen ein maßgeschneidertes Programm.
Lara Friebe hatte vor ihrer Sizilien-Fortbildung Schmetterlinge im Bauch, weil sie noch nie allein verreist war. “Es war total aufregend, aber eine enorme Bereicherung, weil ich jetzt weiß: Ich bin groß, ich schaffe das”, lautet ihr Fazit. Auch die sprachlichen Herausforderungen hat sie fabelhaft gemeistert, fand doch das Seminar auf Englisch statt. "Für viele ist das eine Hürde", vermutet Aleli Gómez, die selbst mehrere Sprachen spricht. “Toll, dass meine Kollegin es sich trotzdem getraut hat.”
Frühe Bildung im europäischen Vergleich
Die Teilnehmerinnen aus Deutschland, Frankreich, Estland und Ungarn lernten, wie die Erziehungsprinzipien Maria Montessoris und das nach der norditalienischen Stadt Reggio Emilia benannte frühpädagogische Konzept funktionieren. Beide Ansätze begreifen das Kind als forschende, kreative Persönlichkeit, dessen Selbstentfaltung es zu fördern gilt. Auf die methodische Einführung folgten Besuche in Kitas, die nach diesen pädagogischen Konzepten arbeiten. »Die Mischung aus Theorie und Praxis hat mir besonders gut gefallen. Und geradezu beflügelt hat mich der Austausch mit den europäischen Kolleginnen, durch die ich neue Impulse erhalten habe«, schwärmt Aleli Gómez. Ähnlich erging es Lara Friebe: “Eine estnische Teilnehmerin berichtete, dass sie in ihrer Kita Legoplatten an die Wand montiert. Dadurch erleben die Kinder beim Bauen eine neue, überraschende Dimension. Eine coole Idee, die ich gerne ausprobieren möchte.”
Über den Austausch
Projekttyp: Akkreditiertes Konsortium (KA120)
Koordinator: Diakonie Michaelshoven Kindertagesstätten gGmbH
„Die Mischung aus Theorie und Praxis hat mir besonders gut gefallen. Und geradezu beflügelt hat mich der Austausch mit den europäischen Kolleginnen, durch die ich neue Impulse erhalten habe.“
Gelerntes hinterfragen
Auch Aleli Gómez ist für neue Ideen offen. An ihrem Arbeitsplatz in der Kita Lukaskirche lassen sich die kindgerechten Möbel aus hellem Holz, Schaumstoffelemente und Spielteppiche schon jetzt fantasievoll variieren. Aleli Gómez betrachtet die Fortbildung deshalb nicht nur als Auftrag, bewährte Konzepte zu hinterfragen. Obwohl sie das Erziehungskonzept der italienischen Reformpädagogin Maria Montessori fasziniert, setzt sie sich auch kritisch damit auseinander.
Wie viele andere Vorschuleinrichtungen weltweit nutzt ihre Kita das Spiel- und Lernmaterial nach dem Montessori-Prinzip. Ein Kind, das sich ungestört mit einer Sache beschäftigen möchte, kann sich dazu auf einen kleinen rechteckigen Teppich zurückziehen. Es darf aber jederzeit Mitspielerinnen und Mitspieler einladen, darauf Platz zu nehmen. Das war in der italienischen Montessori-Kita, die während der Erasmus-Fortbildung in einem Film vorgestellt wurde, ausdrücklich nicht erwünscht.
Diesen strengeren Fokus auf Einzelarbeit betrachtet Aleli Gómez mit gemischten Gefühlen und sieht darin eine wichtige Erkenntnis ihrer Fortbildung. Geistige und räumliche Beweglichkeit sind für die 41-Jährige eine Lebenseinstellung. Nach dem Abitur schnupperte sie in unterschiedliche Studiengängeund lebte eine Zeit lang in Mexiko. Als sie vor zehn Jahren ihre Erzieherinnenausbildung begann, wusste sie, dass sie beruflich angekommen war. Sie ist dankbar, dass ihr Arbeitgeber ihren Wissensdurst mit Erasmus+ fördert.
„Weil sich die Welt der Kinder ständig wandelt, darf man selbst nie stehenbleiben, egal ob man fünf, zwanzig oder dreißig Jahre Berufserfahrung hat.“
Neue Ideen in der Kita umsetzen
In Lara Friebes Kita Apfelbaum in Wesseling, südlich von Köln, sind innovative Ideen ausdrücklich willkommen. Als sie durch die hellen Räume führt, begrüßt sie eine Kollegin, die an einer Erasmus-Fortbildung auf Zypern teilgenommen hat. „Noch mehr neue Impulse – das ist Gold wert“, sagt sie. Die 24-Jährige wusste schon als Jugendliche, dass der Erzieherberuf ihre Berufung ist.
An der italienischen Reggio-Pädagogik fasziniert sie der Aspekt des „Raums als dritter Erzieher“. Seine Gestaltung soll den Forscher- und Entdeckergeist der Kinder fördern und sie zu eigenen Ideen animieren. In der Kita Apfelbaum dürfen die Kleinen selbst entscheiden, ob sie aus Turnmatten eine Höhle bauen, eine Rutsche konstruieren oder sich darauf ausruhen. Noch tüftelt Lara Friebe daran, welche Anregungen aus der Fortbildung sich zusätzlich umsetzen lassen.
Erzieherinnen und Erzieher der Kindertagesstätten der Diakonie Michaelshoven können sich mit Erasmus+ in Europa fortbilden. Geschäftsführerin Franziska Lang erläutert das Konzept.
Frau Lang, warum nutzt die Diakonie Michaelshoven Erasmus+ für Fortbildungen?
Eine Auslandsfortbildung bringt viele Vorteile. Dazu gehört neben der Erweiterung des Wissenshorizontes, dass ein anderes Land mit seiner Kultur und seinen Menschen kennen gelernt wird. Damit verbunden ist der Austausch von Innovationen und die Stärkung von Netzwerken. Dort arbeiten und sich fortbilden, wo andere Urlaub machen, ist ein toller Anreiz für viele Kolleginnen und Kollegen und erhöht die Motivation und Arbeitszufriedenheit.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl?
Das Angebot an kooperierenden Bildungseinrichtungen im europäischen Ausland ist unheimlich groß. Wir legen Bildungsschwerpunkte fest, recherchieren die Zielorte und prüfen, ob diese für unsere Teilnehmenden gut erreichbar sind. Dazu gehört auch, welche Transferzeiten zum Beispiel vom Flughafen zur Institution eingeplant werden müssen. Dies ist zeitaufwändig, macht aber auch sehr viel Freude und wir fiebern mit unseren Kolleginnen und Kollegen mit.
Aus Ihrer berufsprofessionellen Sicht: Weshalb sollte „Mehr Europa“ auch für Kitas ein Thema sein?
Globalisierung und Migration tragen dazu bei, dass die Begegnung mit anderen Religionen und die Vernetzung zwischen verschiedenen, oft religiös geprägten Kulturen immer stärker zunehmen. Umso mehr sind interreligiöse und interkulturelle Kompetenz gefordert. Entsprechende Bildungsprozesse sind deshalb eine gesellschaftliche Aufgabe und damit auch ein Auftrag an die frühkindliche Bildung.