„Wir wollen selbstverständlich alle mitnehmen“
Die Berliner Charlotte-Salomon-Grundschule verbindet europäischen Austausch mit Inklusion. Für das Lehrerkollegium und die Schülerinnen und Schüler gilt: Alle sollen teilnehmen können.
Da die Schule einen Inklusionsschwerpunkt hat, gibt es in jeder Klasse auch Kinder mit Behinderungen oder besonderen Bedürfnissen. „Aber wir haben von Anfang an gesagt: Alle müssen die Chance haben, mitzufahren“, betont Katrin Schneider. Das Schulteam hat dafür im Laufe der Zeit verschiedene Modelle entwickelt: „Man muss den Austausch für jedes Kind und jede Gruppe individuell anpassen und immer wieder neu entscheiden – beispielsweise, ob noch zusätzliches Betreuungspersonal mitfahren soll“, erklärt Katrin Schneider.
Sie unterrichtet als Englischlehrerin an der Charlotte-Salomon-Grundschule Berlin und engagiert sich dort bereits seit 15 Jahren für Austauschprojekte, die durch europäische Bildungsprogramme gefördert werden. „Unsere allererste Schülerbegegnung fand mit einer Partnerschule aus Polen statt“, erinnert sie sich. „Da haben wir uns in Peenemünde mit zwei Klassen getroffen und uns zum Thema deutsch-polnische Geschichte ausgetauscht. Wir sind eigentlich immer mit unseren Sechstklässlern gefahren, das sind die ältesten Kinder an unserer Schule.“

„Andere Schulen reisen mit vier oder fünf Kindern zu ihren Partnerschulen. Aber unser Selbstverständnis ist es, alle mitzunehmen. Das ist manchmal ganz schön sportlich – und immer großartig.“
Mit 40 Kindern nach Island
Zuletzt ist die Projektkoordinatorin im Frühjahr 2020 mit über 40 Fünft- und Sechstklässlern sowie sechs weiteren Begleitpersonen zu der Partnerschule nach Island geflogen. Die Kinder waren dort immer zu zweit oder zu dritt in Gastfamilien untergebracht, während die Lehrkräfte in einem Hotel in der Nähe schliefen und permanent für die Kinder erreichbar waren. „Bei dieser Begegnung war auch ein Junge mit Autismus dabei, der sehr gerne in eine Gastfamilie wollte“, berichtet Katrin Schneider. „Da hat eine isländische Sonderpädagogin ihn einfach zusammen mit seiner Schulbegleiterin und seinen beiden besten Freundinnen bei sich zuhause beherbergt. Für unsere Partner in Island ist Inklusion selbstverständlich, sie sind darauf eingestellt, für unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Bedingungen zu schaffen.“
Mit ihrer isländischen Partnerschule will die Charlotte-Salomon-Grundschule auch weiterhin regelmäßige Begegnungen organisieren. Damit die Kinder schon vor dem Austausch miteinander erste Bekanntschaft schließen und miteinander kommunizieren können, möchten die Lehrkräfte zukünftig die sichere Plattform von eTwinning stärker nutzen.
Fortbildung und Hospitation für das Kollegium
Im Kollegium der Charlotte-Salomon-Grundschule gab es anfangs durchaus Vorbehalte gegen den europäischen Austausch. Manche der pädagogischen Fachkräfte waren sich beispielsweise nicht sicher, ob ihre Englischkenntnisse ausreichen würden. Deshalb versuchte die Koordinatorin, die auch selbst in der Lehrerausbildung tätig ist, zunächst möglichst vielen Personen im Kollegium eine Fortbildung mit Erasmus+ im Ausland zu ermöglichen. So konnten beispielsweise zwei Erzieher, die bislang wenig internationale Erfahrungen gesammelt hatten, an einer Fortbildung auf Kreta zum Einsatz von digitalen Medien im Unterricht teilnehmen.
Katrin Schneider erinnert sich: „Die beiden haben sich getraut, daran teilzunehmen – und es hat ihnen so gut gefallen, dass einer davon sogar später in Italien an einer Schule hospitiert hat. Das wäre vorher undenkbar gewesen.“ Ihrer Erfahrung nach braucht es meistens einen ersten Anstoß: „Wer einmal über den Tellerrand geschaut hat und weiß, wie es anderswo ist, der bekommt so viele Ideen und Eindrücke – das ist wirklich fantastisch und danach ist das Interesse an Austausch geweckt.“
Die Akkreditierung erleichtert den Austausch
Mittlerweile ist die Charlotte-Salomon-Grundschule auch bei Erasmus+ akkreditiert – eine große Erleichterung, denn nun können bis 2027 regelmäßig Schulbegegnungen, Fortbildungen und Hospitationen finanziert werden. „Für uns ist das eine Art Rundum-Sorglos-Paket“, freut sich Katrin Schneider. „Kein Vergleich mehr mit dem bürokratischen Aufwand, den wir früher für die Beantragung einzelner Projekte hatten.“
Einen thematischen Rahmen für den Austausch zu setzen ist aus Sicht der Koordinatorin trotzdem weiterhin sinnvoll, damit die Schülerinnen und Schüler auch inhaltlich und projektbasiert zusammenarbeiten. Das sei auch für ihre Kolleginnen und Kollegen motivierend, um sich mit ihren jeweiligen Unterrichtsfächern und individuellen Begabungen einzubringen. „Wir hatten beispielsweise schon ein sehr schönes Musikprojekt, bei dem wir gemeinsam mit den Partnern im Ausland getanzt und gesungen haben. Da hängt viel von den beteiligten Lehrkräften ab, ob sie damit etwas anfangen können – ich versuche hier auch immer, auf die Interessen meines Kollegiums einzugehen.“
Verborgene Talente entdecken
Was hat das Projekt für Ihre Schule bedeutet?
Die Kinder haben Videos gedreht und kleine Aufführungen gezeigt, dabei waren sie mit Kindern aus anderen Ländern verbunden. Das hat ihre Englischkenntnisse auf spielerische Weise aktiviert und ihren Blick nach außen geweitet.
Was waren für Sie persönlich die emotionalen Highlights des Projekts?
Wir haben die Kinder noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise kennengelernt und Talente entdeckt, die im normalen Unterricht vielleicht verborgen geblieben wären. Das hat mich sehr gerührt.
Gilt das auch für die Kinder mit besonderen Bedürfnissen?
Absolut. Solche Projekte bieten tolle Möglichkeiten für die inklusive Arbeit. Denn hier kann sich jedes Kind mit seinen Interessen und Talenten einbringen.
