Unterwegs gegen Rassismus und Antisemitismus
Jugendliche aus Sachsen nahmen bei einem Schulaustausch in Nordmadzedonien am jährlichen „March of the Living“ in Bitola teil. Friedens- und Versöhnungsarbeit stand im Fokus des Projekts am Evangelischen Schulzentrum Chemnitz.
Darum geht es
Aus der Geschichte für die Gegenwart lernen
»Wir legen Wert darauf, aus dem Schubladendenken herauszukommen«, sagt Claudia Zimmermann, Schulleiterin am Evangelischen Schulzentrum in Chemnitz. Ihr europäisches Engagement wurzelt in der Friedens- und Versöhnungsarbeit: Beim Austausch mit einem Gymnasium in Nordmazedonien nahm sie zusammen mit weiteren Lehrkräften und 20 Jugendlichen am „March of the Living“ teil, einer Gedenkveranstaltung für die jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Bitola, die 1943 ins Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden.
Bitola ist mit rund 70.000 Einwohnern eine der größeren Städte Nordmazedoniens und hat einen großen jüdischen Friedhof, der jedoch völlig zugewachsen war. Seit 2016 wird versucht, den Friedhof wieder begehbar und als Erinnerungsort zugänglich zu machen - auch im Rahmen von internationalen Jugendbegegnungen für junge Menschen aus Nordmadzedonien, Israel, Russland und Deutschland.
Das haben wir gemacht
Intensive Vorbereitung auf die Begegnung
Die Schülerinnen und Schüler aus Deutschland und Nordmazedonien bereiteten sich ein Schuljahr lang auf die intensive Begegnung und den Gastfamilienaufenthalt vor, indem sie Rassismus und Diskriminierung in ihrem eigenen Alltag aufmerksam registrierten, darüber diskutierten und gemeinsam Strategien zum Umgang damit erarbeiteten. Trotz der freien Trägerschaft ist das Evangelische Schulzentrum eine typische Stadtteilschule und in der Nähe der zentralen Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Sachsen gelegen.
Schülerin Greta aus Chemnitz beschreibt ihre Erfahrung so:
“Der Schüleraustausch zwischen den mazedonischen und uns deutschen Schülern war eine unvergessliche Erfahrung, in der wir viel über Kultur und die Geschichte des jüdischen Lebens in beiden Ländern gelernt haben. Neben lehrreichen Momenten hatten wir viel Spaß bei gemeinsamen Aktivitäten und konnten so unsere Kulturen auf eine ganz besondere Weise miteinander verbinden und kennenlernen. Diese Begegnung hat uns nicht nur bereichert, sondern auch bleibende Freundschaften geschaffen.”
Am Austausch mit Bitola waren Jugendliche beider Schulformen (Gymnasium und Oberstufe gemischt) beteiligt. Dank dem Inklusionszuschlag konnten auch ökonomisch benachteiligte Schülerinnen und Schüler mitfahren. Das 2024 abgeschlossene Kurzzeitprojekt wurde mit einem Erasmus+ Qualitätssiegel ausgezeichnet.
Wie kam die Idee für diesen Austausch mit Nordmazedonien zustande?
Die Initivative geht eigentlich auf eine außerschulische Friedensaktion zurück. Der Pfarrer Hans-Joachim Scholz, der mittlerweile im Ruhestand ist, hat Jugendbegegnungen zwischen jüdischen und christlichen Schülerinnen und Schülern in Bitola organisiert. Ich war 2023 am 80. Jahrestag der Deportationen in Bitola bei der Gedenkfeier mit dabei und habe dort auch Lidia Spoa, die Schulleiterin vom Jozip-Broz-Tito Gymnasium in Bitola, kennengelernt. Gemeinsam haben wir überlegt, dazu eine Schulbegegnung zu machen - und kamen so zu der Idee, ein Erasmus+ Kurzzeitprojekt zu beantragen.
Wie wurden die Schülerinnen und Schüler ausgewählt, die mitgemacht haben?
Das Projekt stand an beiden Schulen allen Interessierten offen. Als inklusive Schule versuchen wir immer, Schülerinnen und Schüler unabhängig ihrer Voraussetzungen in Projekte zu integrieren. Wir haben darauf geachtet, dass bewusst auch Oberschüler angesprochen wurden, da sich diese tendenziell weniger an solchen Projekten beteiligen als die Gymnasialstufe. Bei Familien mit schwierigerem finanziellen Hintergrund haben wir Gespräche mit den Eltern geführt, um vorzubeugen, dass jemand aus finanziellen Gründen nicht teilnimmt. Zudem wurde in den Schulen klar kommuniziert, dass es keine besonderen Wohnverhältnisse braucht und dass Gastschülern kein extra Zimmer zur Verfügung stehen muss.
Wie haben Sie das Projekt innerhalb und außerhalb der Schule bekannt gemacht?
Wir haben das Projekt in der Schulpost, der Schülerzeitung und in Elternbriefen veröffentlicht. Darüber hinaus haben wir bei unseren Schulandachten darüber gesprochen - da kommen alle Klassen und Lehrerkräfte zusammen und konnten davon erfahren. Auch am Tag der offenen Tür haben wir unser Projekt vorgestellt und so Gespräche unter den Schülerinnen und Schülern angeregt. Darüber hinaus haben wir uns außerschulische Partner gesucht: Viel Kontakt und Unterstützung haben wir mit der Kulturkirche, dem ökumenischen Verbund der Kirchen in der Kulturhauptstadtregion. Die jüdische Gemeinde in Chemnitz konnten wir als Partner für die Friedhofsbegehung und Geschichtsbegegnungen gewinnen. Mit dem Verein Buntmacher*innen e.V. haben wir eine Stolpersteinaktion und Zeitzeugengespräche durchgeführt und einen Kinoabend organisiert, bei dem der Dokumentarfilm “IRMI” gezeigt wurde, der die Geschichte einer Chemnitzer Jüdin erzählt.
